Das Theaterpädagogische Konzept des TPZ-Ruhr
Volker Koopmans - Künstlerischer Leiter
THEATER IST KUNST
Theater ist eine Eigenwelt der Kunst in der sich die Welt und die Persönlichkeit der Theatermacher*innen wiederspiegeln kann. Jede Teilnehmer*in wird darin als eine Künstler*in angesehen und ernst genommen.
Theater bietet den Teilnehmer*innen ein Medium in dem sie ihre/seine subjektive Sicht auf sich selbst, den anderen und die Welt darstellen und mitteilen kann. Mit der Entscheidung an einer theaterpädagogischen aus Ausbildung teilzunehmen, haben sich die Teilnehmer*innen auf den Weg gemacht ein künstlerisches Medium und seine Mittel kennen zu lernen. Und jede wird am Ende eine eigene künstlerische Ambition entwickeln. An diesem Punkt angelangt werden Teilnehmer*innen den Kreis der Theaterpädagogik verlassen und selbstbestimmt künstlerisch und pädagogisch tätig.
Theater ist Grenzarbeit
Die persönliche Weiterentwicklung der Theaterpädagog*innen, Schauspieler*innen und Regisseur*innen ist immer von der Bereitschaft abhängig die eigenen Grenzen zu erweitern. Neugierde, Risikobereitschaft und Erfahrungslust sind dabei
wichtige Triebfedern. Es geht nicht darum alles schon zu wissen, sondern sich auf neue Erfahrungen und Gedanken einzulassen. Und die Fragen zu stellen, deren Beantwortung einen weiterbringen.
Theater ist Kommunikation zwischen Menschen
Die Aufführung ist elementarer Bestandteil des Arbeitsprozesses. Die Aufführung der Theaterproduktion ist das Ziel des schöpferischen Wollens aller Beteiligten. Die Aufführung realisiert die für das Theater und für die Spieler*innen zentrale Kommunikation mit dem Publikum. Die Aufführung ist der konsequente Abschlussdes gemeinsamen künstlerischen Arbeitsprozesses. An sie wird im Rahmen des Möglichen von den Beteiligten höchste Ansprüche gestellt. Neben der Arbeit mit literarischen Texten stehen Produktionen, in denen die Leitung und die Akteur*innen gemeinsam ein eigenes Stück entwickeln. Dabei wird von einem Thema, einem Stoff oder einer eigenen Idee ausgegangen. Das Produkt ist so wichtig, wie der Arbeitsprozess, der ihn realisiert. In unserem Verständnis von Theaterpädagogik machen viele Köch*innen erst die Nahrhaftigkeit und den Reichtum des Gerichts aus. Die emanzipatorische Praxis im theaterpädagogischen Inszenierungsprozess ist die Basis für die emanzipatorischen Botschaften die auf der Bühne verhandelt werden. The medium is the message.
Theater ist Kreativität
In Regel verfügen die theaterpädagogischen Projekte nicht über viel Geld. Da hilft der kreative Austausch und Reichtum aller am Prozess Beteiligten. Jeder macht alles, bzw. das was sie am besten kann. Alle Wege sind kurz. Die Arbeitsteilung bleibt nachvollziehbar. Alle entscheidenden Vorgänge sind kommunizierbar, so das alle informiert sind und das Ganze überblicken können. Es wird mit dem gearbeitet was verfügbar ist und dem Konzept der Aufführung entspricht. Die Darstellung konzentriert in dem, mit wenigen Requisiten ausgestatteten leeren Bühnenraum, auf das was zwischen den Menschen und Rollen passiert und füllt den Raum mit dem Ensemble. Neben der Bühne werden reale Räume (Treppenhaus, Flur, Keller, Außentreppe, Kneipe, Öffentlicher Platz, Friedhof, Park u.a.) als performative Orte genutzt.
THEATER IST TEAMARBEIT
Theater ist eine soziale Tätigkeit. Das TPZ-Ruhr versteht das Kunstprodukt Theater als Ergebnis eines sozialen Prozesses. Aufgabe der Theaterpädagog*in / Regisseur*in ist es, die Vielzahl der künstlerischen, technischen und administrativen Tätigkeiten zu einem Ganzen zu bündeln. Aber das Ganze bleibt eben auch die Summe seiner Teile. Die Arbeitsgruppe selbst, ihre Fähigkeit gemeinsame Ziele zu formulieren und dabei individuelle Wünsche gelten zu lassen, die Akzeptanz und Toleranz gegenüber anderen Teilnehmer*innen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielen, wird ebenso als Wert und Ziel verstanden wie das Kunstprodukt selbst.
Die Aufführung soll das gemeinsame und das Kunstwollen jeder Einzelnen widerspiegeln. Anders als die Schriftstellerei, Bildhauerei, die bildende Kunst und Musikkomposition ist Theater-machen Teamarbeit. Theater als Ergebnis von sozialen Prozessen wird in unserer Theaterpädagogik nicht nur behauptet, sondern methodisch gefasst. In der Praxis heißt das: Die Teilnehmenden werden nach ihren Zielen und Wünschen befragt. Sie bestimmen die Stückwahl undRollenbesetzung mit. Sie bestimmen die Form der Inszenierung mit. Sie bestimmen die Verwendung der Einnahmen mit, u.a. Das Theaterstück am Ende des Arbeitsprozesses ist das Produkt aller Beteiligten. Die Inszenierung ist offen für die Visionen jeder Einzelnen. Der Inszenierungsprozess zielt darauf ab, dass jeder sich mit dem Produkt Aufführung identifizieren kann.
Theater ist Dialog
Die Grundsituation im Theater ist der Dialog. Das Gespräch spielt eine zentrale Rolle- Reflexion und Erfahrungsaustausch nach Übungen, Improvisationen und Proben, Verständigung über Zielsetzungen des Seminars, Ideen – und Materialsammlung. Gespräche regulieren Konfliktsituationen. Ziel der Gespräche ist es, die Teilnehmer zum Verständnis des eigenen Tuns und der Inhalte des Seminars zu verhelfen, sie zur eigenen Willens– und Meinungsbildung anzuregen, sie zur Mitteilung eigener Beobachtungen anzuregen, ihre Kritikfähigkeit zu stärken und der Seminargruppe zu gemeinsam getragenen Entscheidungen zu verhelfen. Damit die Gespräche fruchtbar sind, sorgt die Leiter*in dafür, dass Gespräche zielorientiert verlaufen, dass jeder zu Wort kommt, dass unterschiedliche Auffassungen nebeneinander bestehen können und dass Entscheidungsprozesse transparent und nachvollziehbar sind.
THEATER LEHREN
Einstellung und Aufgaben der Theaterpädagog*innen
Die schauspielpädagogische und theaterpädagogische Arbeit erfordert von der Leitung eine Haltung von Vertrauen, Neugierde, Offenheit, Geduld und Respekt gegenüber den Teilnehmenden. Die Spieler*in wird da abgeholt wo sie/er sich befindet. Der Leitung sollte selbst praktisch künstlerisch tätig sein, sei es als Schauspieler*in, Regisseur*in, Musiker*in, Bühnenbildner*in oder Theaterpädagog*in. Die eigene künstlerische Praxis ist wichtige Quelle der Weiterentwicklung von Theaterpädagogik. Die Leitung sollte in der Vermittlung des Handwerkszeugs an Amateure einen eigenen Wert erkennen. Die Theaterpädagog*in muss bereit sein, die Teilnehmer*innen und deren Ziele und Fähigkeiten höher zu schätzen als das eigene Kunstschaffenwollen. Eine Theaterpädagog*in ist eine, die/der ihr/seine Aufgabe darin sieht das Wachstum anderer zu fördern, selbst wenn diese größer werden als sie selbst. Die Theaterpädagog*in bietet den Teilnehmer*innen das theaterpraktische Handwerkzeugzeug und das begriffliche Instrumentarium sich über die eigene Arbeit zu verständigen. Den Akteur*innen wird ein hoher Grad an Eigenverantwortung zugestanden und zugemutet. Die Teilnehmer*innen werden bewusst auf andere Methoden und auf die begrenzten Möglichkeiten eines Seminars hingewiesen
Zwei Theaterpädagog*innen sind mehr als eine
In der theaterpädagogischen Arbeit leiten nach Möglichkeit 2 Seminarleiter*innen die Seminare an. Die Lehrer können zwischen aktiver Unterrichtsführung und Beobachtung der Unterrichtsgruppe wechseln und sich gegenseitig Rückmeldung
geben. Die einseitige Fixierung auf eine Lehrer*in wird durch die Anwesenheit einer gleichberechtigten zweiten Lehrer*in vermieden.
UNTERRICHTE UND METHODEN
Theater spielen heißt wahrnehmen und reagieren
Uns interessiert in der Theaterpädagogik wesentlich was zwischen Menschen passiert. Um diese Beziehung zu realisieren muss der Spieler sich und der Rolle Zeit lassen wahrzunehmen. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Wahrhaftigkeit des Spiels und eine wichtige Quelle für die Kreativität des Spielers. Die Schulung der Wahrnehmung und der Sinne ist wichtiger Bestandteil der Teil des Schauspieltrainings.
Schauspiel ist Verkörperung
Der Körper und die Stimme sind das Instrument der Spieler*innen. In der Theaterpädagogik ist eine umfassende Kenntnis und Durchdringung des eigenen Körpers und der eigenen Stimme für die Akteur*innen unerlässlich.Entspannungstechniken, Körpertheater, Bewegungsimprovisation sind zentraler Bestandteil des Schauspiels.
Theater braucht Vertrauen
Eine wichtige Voraussetzung für die Freisetzung von Kreativität sieht die Theaterpädagogik im Vertrauen in die eigene Phantasie und im Vertrauen zu den Mitspielern. Gruppendynamische und Vertrauensübungen sind Bestandteil derTheaterpädagogischen Arbeit.
Improvisation – Die Gunst des Augenblicks
In unserem Verständnis nimmt die Improvisation einen zentralen Platz ein. Improvisation ist der Freiraum der spielerischen Kreativität. Es beginnt mit Leere, Schweigen, mit einem weißen Blatt Papier. Die Improvisation lässt Platz für das Unerwartete, das Neue, das noch Unentdeckte. Sie erfordert Offenheit, Risikobereitschaft, Spontaneität, Verletzlichkeit, Kontakt. Improvisation ist eine Einstellung die eng mit Kreativität verknüpft ist und damit unerlässlich für Theaterpädagog*innen.
Rollenarbeit - Identifikation und Einfühlung
Rollenanalyse, Identifikation und Einfühlung in eine Rolle sind wichtige Handwerkszeuge für eine Schauspieler*in. Das Schauspieltraining vermittelt die Fähigkeit eigene Empfindungen, Gefühle und Erfahrungen in die Rolle einfließen zu
lassen um die Darstellung lebendig und glaubhaft zu machen. Die Akteur*innen. müssen eine Szene auch ohne Worte darstellen können. Die Schauspieler*innen verkörpern mit der Rolle die von ihr geschaffene innere Vision eines Menschen. Für die Zuschauer*innen besitzt eine gelungene Menschendarstellung die Magie des Realen.
Regie - Textinterpretation und Stücke machen
Es bieten sich im wesentlichen zwei Wege an um zu einer Aufführung zu gelangen. Der eine führt über die Auseinandersetzung mit einem dramatischen Text, der andere ist die Entwicklung eines eigenen Theaterstückes, ausgehend von einem Stoff oder einem Thema. Die Entwicklung eines individuellen Regiestils und die Förderung von Leitungskompetenz ist wichtiger Bestandteil der theaterpädagogischen Ausbildung.
Theorie - Theater ist auch Kopfarbeit
Wir vertreten die Auffassung, dass Theater nicht nur Hand und Fuß und Herz braucht sondern unbedingt auch einen Kopf. Theatermacher*innen und Theaterpädagog*innen sollten in der Lage sein ihre eigene Arbeit zu reflektieren und sie theoretisch einordnen können. Sie sollten von der Geschichte des von ihnen gewählten Mediums Theater Kenntnis haben.
Künstlerische und Pädagogische Projekte - Praxis ist die Basis
Unsere Theaterpädagogik legt großen Wert auf eigene Erfahrungen. Die Seminare Improvisationstheater, Rollenstudium und das Inszenierungsprojekt werden in der Regel mit einer Aufführung abgeschlossen. Reflexionen über Schauspiel, Theater und Theaterpädagogik gehen nach Möglichkeit von der
konkreten Praxis aus. angehende Theaterpädagog*innen werden angehalten selbst zu unterrichten und eigenständig Aufführungen zu produzieren. Als besondere Leistung des TPZ Ruhr, werden die Theaterpädagog*innen dabei sowohl von der Leitung wie von der Ausbildungsgruppe begleitet.
Das Theater erfindet sich immer wieder neu
Das Theater findet immer neue Themen und immer wieder neue und alte ästhetische Mittel diese auf die Bühne zu bringen. Das TPZ-Ruhr hat von Beginn an aktuellen Entwicklungen im Theater Raum gegeben. Biografisches Theater, Unsichtbares Theater, Performance, Diversität, Inklusion, Szenische Forschung, Tanztheater, Theaterales Mischpult, Systemische Theaterpädagogik, Autor*innenwerkstatt, Szenisches Schreiben, ua. sind feste Bestandteile des Ausbildungsprogramms.
ZIELGRUPPEN
Theater mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Wir gehen davon aus, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene einen unterschiedlichen Erfahrungs- und Wissensstand haben und das sie entsprechend andere Formen der Wissensvermittlung benötigen. Dies muss die Theaterpädagog*in in der Methodik und Didaktik ihresUnterrichtes berücksichtigen. In den grundlegenden menschlichen Gefühlsbeziehungen die für das Theater elementar sind (Liebe , Macht, Verlust, Hoffnung, Lüge, Träume, Schönheit, Magie, Religion, Freundschaft, Trauer ua.) die Kompetenz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nicht so weit auseinander ist. Im Gegenteil kann es sein, das Kinder und Jugendliche einen unverstellten, unzivilisierteren Zugang zu ihrer emotionalen Intelligenz besitzen. Dies hat zur Folge, dass wir Kinder und Jugendliche so ernst nehmen in ihren Reflexionen, ihren Wünschen Rollen zu gestalten und Geschichten zu erzählen wie Erwachsene und sie ebenso zur Mitbestimmung bei der Theaterarbeit einladen.
AM ENDE : LIEBE
Theater lebt auch von Lust und Liebe
Wenn Teilnehmer*innen sagen sie machen Theater weil es ihnen Spaß macht, ist das ein guter Grund. Aber in der Kunst muss man auch mehr wollen. Die Theaterpädagog*in sollte bereit sein sich immer wieder ergebnisoffen in unbekanntes Gelände zu wagen. Andererseits ist eine Kunst die der Künstler*in keinen Spaß macht für die Theaterpädagogik wenig geeignet. Wir empfehlen sich zu fragen, was man am Theater liebt - die Schauspieler*innen - das Publikum - die Autor*innen - das Leben? Die Liebe muss nicht blauäugig sein. Texte können schlecht, Schauspieler unerträglich eitel, das Publikum selten dämlich und das Leben bescheiden sein. Aber eine positive Beziehung hilft befriedigende Lösungen und manchmal Kompromisse zu finden. Unerbittliche Konsequenz, Selbstvernichtung und Krieg im Dienste der Kunst ist keine Tugend für die Theaterpädagogik
12. April 2024